19. Dezember
 

Soll ich meinen Ehepartner in den Gottesdienst „zerren“?

„Alles aus Liebe, nichts aus Zwang“ (DASal 5,58; OEA IX,324-339) und „Die Freiheit ist der kostbarste Teil des Menschen“ (DASal 9,362; OEA XII,352-370). Diese beiden Sätze des hl. Franz von Sales fallen mir bei dieser Frage spontan ein. Franz von Sales war davon überzeugt, dass Gott uns den freien Willen gegeben hat und unsere Freiheit respektiert. Wenn uns nun Gott zu nichts zwingt oder irgendwohin zerrt, dann dürfen wir Menschen das genauso wenig.
Das gilt übrigens in beide Richtungen: Ebenso wenig, wie ich meinen Partner nicht in den Gottesdienst zerren soll, ebenso wenig soll dieser mir verbieten, in den Gottesdienst zu gehen. Der gegenseitige Respekt der Freiheit gilt für jeden gleichermaßen.
Interessant ist, dass gerade in ehelichen Beziehung dieser gegenseitige Respekt oft fehlt, obwohl sich doch hier zwei Menschen in Freiheit entschieden haben, miteinander durchs Leben zu gehen, weil sie sich aus ganzem Herzen lieben. Nicht nur im Bereich des Glaubens, sondern in allen möglichen Bereichen des Miteinanders gilt der Respekt oder die Achtung vor dem Anderen plötzlich kaum mehr etwas. Wenn die Liebe die Grundlage der Ehe bildet, dann müsste es doch so sein, dass das, was dem Anderen wichtig ist, mich nicht einfach kalt lassen kann, unabhängig davon, ob mich das nun interessiert oder nicht.
In der Frage des Glaubens ist entscheidend, dass ich deutlich mache und auch deutlich lebe, wie wichtig und wertvoll für mich diese Teilnahme am Gottesdienst ist, und dass es mich sehr freuen würde, wenn ich nicht ständig alleine in den Gottesdienst gehen müsste, dass es mir also nicht einfach nur darum geht, ein Gebot zu erfüllen. Ist dies nicht der Fall und lasse ich dies meinem Partner auch nicht spüren, weil ich diese Überzeugung vor ihm verstecke, dann wird er schwerlich dazu zu bringen sein, einmal darüber nachzudenken, warum denn eigentlich die Teilnahme am Gottesdienst etwas Sinnvolles ist.
Berücksichtigen sollte ich dabei auch den Satz des hl. Franz von Sales, der schrieb: „Sie sollen nicht nur fromm sein und die Frömmigkeit lieben, sondern sie auch jedermann liebenswert machen. Das tun Sie aber, wenn sie anderen nützlich und angenehm wird.“ (DASal 6,81; OEA XII,267-271). Das heißt, meine Begeisterung für Gott soll auf die anderen angenehm wirken und als etwas Nützliches erkennbar werden.
Habe ich all das zum Ausdruck gebrachte, kann ich nur warten und hoffen, ob nicht vielleicht doch einmal der Funke überspringt. Dabei geht es allerdings nicht um Macht, oder um Sieger und Verlierer. Es geht nicht darum, mir endlich auf die Fahne schreiben zu können, dass ich meinen Ehepartner bekehrt habe und ich daher ein besonders guter Christ bin. Es geht um Gott, der mir sehr viel bedeutet, und ich möchte daher, dass mein Partner davon erfährt, welch Glück es bedeutet, Gott in sein Leben einzulassen.
Gott verhält sich im Übrigen uns gegenüber genauso. Er verwendet keine eisernen Fesseln, um uns zu sich zu zerren wie Stiere oder Büffel. Er wirbt vielmehr um uns, lockt uns liebevoll. Er macht dabei sehr oft die Erfahrung, dass die Menschen trotzdem immer wieder davonlaufen, in die Irre gehen, andere Wege gehen, als er es gerne möchte. In diesem Fall zeigt er sich uns als der barmherzige Vater, der in Geduld auf seinen Sohn wartet und ihn bei der Rückkehr in die Arme schließt.

Franz von Sales:

„Gott zieht uns nicht mit eisernen Fesseln an sich wie Stiere oder Büffel, sondern er wirbt um uns, er lockt uns liebevoll an sich durch zarte und heilige Einsprechungen.“ (DASal 3,129; Traite II,12)

Fragen zum Nachdenken:

• Gehe ich regelmäßig in den Gottesdienst?
• Ist mir die Teilnahme am Gottesdienst wichtig?
• Weiß meine Familie, wie wichtig mir diese Teilnahme ist?

Ein Herzensgebet durch den Tag:

Es lebe Jesus, der meine Freiheit respektiert.

P. Herbert Winklehner OSFS