11. Dezember
 

Muss ein Priester zölibatär leben?

Bei dieser Frage muss zunächst der Unterschied zwischen dem Zölibat und dem Gelübde der Ehelosigkeit erklärt werden. Der Zölibat ist eine kirchenrechtliche Bestimmung, die besagt, dass jeder, der zum Priester geweiht werden will, auf die Ehe verzichten muss. Das Gelübde der Ehelosigkeit hingegen ist der freiwillige Verzicht auf die Ehe um des Himmelreiches willen. All jene Menschen, die dieses freiwillige Versprechen geben, folgen damit dem Rat Jesu, der sagte: „Denn es ist so: Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht - um des Himmelreiches willen. Wer das erfassen kann, der erfasse es“ (Mt 19,12).
In den ersten christlichen Jahrhunderten gab es nur das Gelübde der Ehelosigkeit, also den freiwilligen Verzicht auf die Ehe um des Himmelreiches willen, unabhängig davon, ob jemand die Priesterweihe empfangen wollte oder nicht. Dieses Gelübde lebt heute noch weiter in den verschiedenen Ordensgemeinschaften von Frauen und Männern.
Im 7. oder 8. Jahrhundert erst wurde dann von der Kirchenleitung der so genannte Pflichtzölibat eingeführt. War es früher noch möglich, dass der Weihekandidat selbst entscheiden konnte, ob er als Priester verheiratet sein will oder nicht, so ging das von nun an nicht mehr. Wer Priester werden wollte, war auch verpflichtet, ehelos zu leben.
Diese kirchenrechtliche Entscheidung wurde aus unterschiedlichsten Gründen getroffen. Viele davon sind auch noch heute nachvollziehbar, z. B. die bessere oder uneingeschränktere Verfügbarkeit für den Dienst an den Menschen, oder die Tatsache, dass man in Zeiten der Verfolgung keine Verantwortung für eine Familie zu übernehmen braucht. Kirchenrechtliche Entscheidungen besagen jedoch auch, dass sie von der Kirchenleitung wieder geändert werden können. Sie sind keine Dogmen, die in alle Ewigkeit gültig und unveränderbar sind.
Aus biblischer Sicht muss also ein Priester nicht zölibatär leben und viele Jahrhunderte lang war dies auch nicht der Fall. Aus kirchenrechtlicher Sicht wurde diese Voraussetzung des ehelosen Lebens jedoch einmal so festgeschrieben, kann allerdings auch wieder geändert werden. Unabhängig davon bleibt allerdings der biblische Rat Jesu unveränderlich und endgültig bestehen, dass es Menschen gibt, die freiwillig um des Himmelreiches willen auf die Ehe verzichten – egal ob es den Zölibat gibt oder nicht. Eine solche Entscheidung mag vielen unverständlich sein, sie ist jedoch eine Entscheidung, die einem Rat Jesu folgt – und Jesus selbst sagt ja: „Wer es fassen kann, der fasse es.“

Franz von Sales

„Unter den kirchlichen Überlieferungen ist die von der Ehelosigkeit der Priester eine der bedeutendsten.“ (DASal 9,177; OEA VIII,325)

Fragen zum Nachdenken

• Was halte ich vom Zölibat?
• Wie denke ich über Menschen, die um des Himmelreiches willen auf die Ehe verzichten?
• Welche Gründe fallen mir ein, warum Priester ehelos leben sollen – und warum nicht?

Ein Herzensgebet durch den Tag

Es lebe Jesus, der Menschen dazu beruft, ehelos zu leben.

P. Herbert Winklehner OSFS