6. Dezember
 

Muss ich die kirchliche Hierarchie akzeptieren?

Das Wort „Hierarchie“ kommt aus dem Griechischen. Es setzt sich aus den Wörtern „hieros“ – „heilig“ und „arche“ – „Ordnung“ zusammen. Hierarchie bedeutet also „heilige Ordnung“. Das Wort „heilig“ macht darauf aufmerksam, dass diese Ordnung etwas ist, das dem Schöpfungsplan Gottes entspricht, nicht nur in der Kirche, sondern in allen gesellschaftlichen Systemen.
Jede Gemeinschaft, so auch die Kirche, ist nach einer gewissen Struktur und Ordnung aufgebaut. Das ist etwas Wichtiges und Gutes, weil es Orientierung schafft und den Einzelnen entlastet, in dem die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Kompetenzen aufgeteilt werden.
Das Problem der Hierarchie ist demnach nicht die Theorie, sondern die Praxis. Dann, wenn der Papst, der Bischof oder der Pfarrer etwas sagen oder tun, was ich für gut und richtig halte, habe ich mit der Hierarchie auch keine Probleme. Problematisch wird es, wenn sie meiner Meinung widersprechen oder anders handeln, als ich meine, das richtig wäre. Damit setze ich allerdings die Hierarchie an sich nicht außer Kraft, sondern stelle mich selbst an ihre oberste Spitze. Ich bestimme, was gut und richtig ist – ich mach mich praktisch selbst zum Papst.
Glauben kann ich dann natürlich auch allein. Das stimmt, aber eine Hierarchie bleibt trotzdem. Es ist dann allerdings keine heilige mehr, sondern eher meine Hierarchie, in der ich selbst der alleinige Herrscher meines Glaubens bin. Das aber, glaube ich, kann auf Dauer nicht gut gehen. Da wäre es schon besser, zunächst einmal Gott als alleiniges Oberhaupt der kirchlichen Hierarchie anzuerkennen. Und dieser Gott hat uns einen ganz anderen Blick für alle Hierarchien dieser Welt nahe gelegt, für meine persönliche ebenso wie für die des Staates oder der Kirche, nämlich: „Der Größte von euch soll euer Diener sein.“ (Mt 23,11) – „Ich bin nicht gekommen um zu herrschen, sondern zu dienen.“ (Mt 20,28)
Das soll also die Hierarchie der Kirche sein: Dienst an den Menschen. Und je höher man in der hierarchischen Leiter oben steht, umso größer wird die Verantwortung für diesen Dienst. Dass dies in der Praxis nicht immer so funktioniert, dafür gibt es in der Kirchengeschichte natürlich Beispiele zur Genüge. Diese Beispiele belegen allerdings nur den Missbrauch an der heiligen Ordnung, ändert jedoch nichts daran, dass diese Ordnung von Gott gewollt und daher gut und richtig ist.
Ich muss die kirchliche Hierarchie nicht akzeptieren, ich bin immer frei, einer Ordnung zuzustimmen oder nicht. Ich meine allerdings, dass die Hierarchie in der Kirche von Gott gewollt und daher gut, sinnvoll und richtig ist, eine Ordnung, die mir hilft, meinen Glauben freier zu leben, weil er eingebettet ist in eine Struktur, die mir dient.
Das Akzeptieren der Hierarchie bedeutet nicht, dass ich alles kritiklos hinnehmen muss, was von oben kommt. Auch ich bin Teil dieser Hierarchie und trage daher genauso Verantwortung dafür, dass diese Ordnung zum Wohl der Menschen dient, egal ob ich an der untersten oder obersten Stufe in diesem heiligen Gefüge stehe. Jesus selbst wies uns darauf hin. Als unter seinen Jüngern die Frage aufkam, wer von ihnen der Größte sei, „nahm er ein Kind, stellte es neben sich und sagte zu ihnen: Wer dieses Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat. Denn wer unter euch allen der Kleinste ist, der ist groß.“ (Lk 9,47-48)

Franz von Sales

„Die christliche Herde wird vom Heiligen Geist geführt, aber unter dem Amt und der Leitung ihres Hirten. Der geht aber nicht leichtfertig vor, sondern ruft nach Bedarf die anderen Hirten zusammen, erwägt die Wahrheit des Wortes Gottes, tritt vor seinen Gott mit seinen Gebeten, und wenn er sich auf diese Weise gewissenhaft nach dem rechten Weg erkundigt hat, bricht er beherzt auf. Glücklich, wer ihm folgt und sich der Leitung seines Stabes fügt; glücklich, wer sein Schiff besteigt, denn er nährt sich mit der Wahrheit, er landet im Hafen der heiligen Lehre.“ (DASal 10,223f; Controverses Part II, Chap. VI., Article XV.)

Fragen zum Nachdenken

• Wer ist für mich der Größte in der Kirche?
• Was halte ich von der Hierarchie in der Kirche?
• Leide ich an der kirchlichen Hierarchie und warum?

Ein Herzensgebet durch den Tag

Es lebe Jesus, der möchte, dass wir einander dienen.

P. Herbert Winklehner OSFS