22. Dezember
 

Gibt es ein Fegefeuer?

Hinter dem Wort Fegefeuer steckt der Glaube, dass nicht alle Verstorbenen gleich nach ihrem Tod ihr Ziel – das Paradies – erreichen, sondern sich zunächst noch in einem Zustand der Reinigung befinden. Theologisch exakt nennen wir diesen Ort „Purgatorium“ – vom lateinischen Wort „purgare“ – „reinigen“ – Also „Ort der Reinigung“.
Leider hat man diesen „Reinigungsort“ durch die deutsche Übersetzung mit „Fegefeuer“ in die Nähe der Hölle gerückt und aus pädagogischen Gründen phantasievoll mit allen möglichen Höllenstrafen ausgeschmückt, um die Menschen zu ermahnen, schon hier auf Erden ein gutes Leben zu führen, damit einem dieser Ort erspart bleibt oder die Seele zumindest so kurz als möglich an diesem Ort bleiben muss.
Auch der heilige Franz von Sales macht darauf aufmerksam, dass dieser Reinigungsort keine Vorhölle, sondern eine Vorstufe zum Himmel ist. Wer im Fegefeuer ist, kann nicht mehr in die Hölle kommen. Daher sind die „armen Seelen“, wie wir sie nennen, nicht deshalb „arm“, weil sie furchtbare Höllenqualen erleiden müssen, sondern weil sie noch nicht für immer in Gottes unmittelbarer Nähe von Angesicht zu Angesicht leben können und dafür erst gereinigt werden müssen.
Vielleicht ist dieser Zustand der Reinigung am besten mit einem Vergleich zu verstehen: Ich bin zu einem großen, feierlichen Essen eingeladen, an dem viele hohe Persönlichkeiten der Gesellschaft teilnehmen. Kurz bevor ich den Festsaal erreiche, merke ich, dass auf meiner Jacke ein schmutziger Fleck ist. Ich versuche daraufhin, den Fleck zu säubern, bevor ich den Festsaal betrete, damit ich mich dem Gastgeber und den Gästen von meiner schönsten Seite zeigen kann.
Was im Alltag ein ganz selbstverständlicher Vorgang ist, hat nun auch Einzug in die Theologie gehalten. Wir alle sind von Gott eingeladen, in seiner Gegenwart – ohne Verhüllungen und Grenzen – von Angesicht zu Angesicht ewig zu leben. Ich kann mich natürlich aufgrund meines freien Willens dagegen entscheiden. Daher gibt es die Hölle, den Ort der absoluten Gottferne. Den anderen Ort nennen wir Himmel oder Paradies, den Ort dieser unverhüllten Nähe Gottes. Was geschieht aber nun, wenn ich in Gottes Gegenwart leben will, jedoch erkenne, dass ich für diese absolute Liebe noch nicht „rein“ genug bin? Um uns Menschen die Chance dieser Reinigung zu geben, gibt es eben diesen Reinigungsort, an dem ich mich für die endgültige Begegnung mit Gott vorbereiten kann.
Es ist übrigens nicht gesagt, zu welchem Zeitpunkt diese Reinigung stattfinden muss. Sie kann also sowohl im Leben, als auch im Sterben und nach dem Tod geschehen. Eine Reinigung geschieht auch im Sakrament der Buße. Auch wenn’s manchmal Überwindung und Qualen kostet, so kann ich mich nach einer Beichte doch auch gereinigt, sauber und frisch fühlen, so wie nach einem Bad.

Franz von Sales:

„Unter Fegefeuer verstehen wir einen Ort, wo die Seelen einige Zeit geläutert werden von den Makeln und Unvollkommenheiten, die sie von diesem sterblichen Leben davontragen.“ (DASal 10,261; OEA I,365)

Fragen zum Nachdenken:

• Was halte ich vom Fegefeuer?
• Fühle ich mich vor Gott rein?
• Ist es Zeit, wie einmal zur Beichte zu gehen?

Ein Herzensgebet durch den Tag:

Es lebe Jesus, er reinigt mich von meinen Sünden.

P. Herbert Winklehner OSFS